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Der Nukleus Ansatz
Einführung
Nuklei in der Welt
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Nukleus
   
   
   
Kammern und Verbännde
   
   

Der Nukleus Ansatz

Förderung von Kleinen und Mittleren Unternehmen
und
Organisationsentwicklung von
Unternehmensverbänden / -kammern
in sich entwickelnden Ländern

Kurzdarstellung

Kandy, Berlin, Dakar
März 2006

Rainer Müller-Glodde & Simone Lehmann

1.   Ursprung und Verbreitung des Nukleus Ansatzes

Der Nukleus Ansatz zielt zum einen auf die Mobilisierung generell von Unternehmen, vornehmlich von KMU, zum anderen auf die Stimulierung von Organisationsentwicklungsprozessen in Unternehmenskammern und -verbänden [1]. Er wurde seit 1991 Jahren im Rahmen des Kammerpartnerschaftsprojektes zwischen der HWK für München Oberbayern und Handels- und Industriekammern im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina entwickelt [2]. Die nationale Dachkammer Confederação de Associações Comerciais do Brasil und die KMU-Förderinstitution SEBRAE machten sich den Ansatz ab 1999 zu eigen und verbreiteten ihn in ganz Brasilien in Ende 2005 mehr als 900 Handels- und Industriekammern mit ca. 4.500 Nuklei und 50.000 Unternehmern.

In zahlreichen anderen lateinamerikanischen Ländern experimentierten Kammern, Fachverbände und Projekte der technischen Zusammenarbeit mit dem Nukleus Ansatz – in Uruguay z.B. existieren gegenwärtig ca. 100 Nuklei mit knapp 1.000 Teilnehmern.

Seit 2002 wendet das Sri Lankan – German Economic Strategy Support Programme (ESSP, Kandy, Sri Lanka – ein GTZ-gefördertes Programm zur regionalen Wirtschafts- und KMU-Förderung – den Nukleus Ansatz bei sechs Kammern / Verbänden an. 2005 begann seine Verbreitung in vom Tsunami betroffenen Gebieten. In anderen Ländern Asiens und Afrikas laufen gegenwärtig Diskussionen über die Anwendung des Nukleus Ansatzes.

Seit Ende der 90-er Jahre beherrscht der Business Development Service Approach (BDS) als Mainstream die TZ-Wirtschaftsförderung. Obwohl der Nukleus Ansatz diesem mit seinen Annahmen, Überlegungen und Konsequenzen partiell widerspricht, erlangt er allmählich eine gewisse Verbreitung.


[1]    Kammer (englisch: chamber) ist hier definiert als Zusammenschluss von Unternehmern innerhalb einer geographischen, meist politisch-administrativen Einheit; Verbände (englisch: association) sind branchenorientiert organisiert. Im portugiesischen Sprachraum entspricht eine „associação“ – direkt übersetzt „Verband“ – einer Kammer. In vielen Ländern bestehen sowohl Kammern und Verbände nebeneinander; sie haben partiell identische und partiell unterschiedliche Funktionen.

[2]    Die Förderung des Projektes erfolgte durch die SEQUA gGmbH – Partner der Wirtschaft = Stiftung für Entwicklung und Qualifizierung, Bonn, getragen von mehreren Dachkammern der deutschen Wirtschaft, der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

2.   KMU-Förderung mittels Bildung von Nuklei in Verbänden

Ausgangspunkt des Nukleus Ansatzes sind die gleichartigen Verhaltensmuster von KMU, die im wesentlichen in allen Kulturräumen von Entwicklungs- und Schwellenländern gleich sind und sich nur in ihrer jeweiligen Ausprägung unterscheiden:

  • Der Unternehmer agiert isoliert in seinem Betrieb; weder von innen noch von außen erfolgen Anstöße zu Innovationen.

  • Er hat aufgrund unzureichender Schul- und Berufsausbildung niemals gelernt, zu lernen bzw. sich systematisch fortzubilden und Gelerntes im Betrieb umzusetzen.

  • Er betrachtet andere Unternehmer der gleichen Branche nicht nur als Konkurrenten sondern – in Ländern unterschiedlich ausgeprägt – als persönliche Feinde, mit denen ein Austausch von Know-how und Erfahrungen sowie eine Kooperation nicht möglich ist.

  • Er ist zutiefst misstrauisch gegenüber Staat, Förderinstitutionen, Zulieferern, Kunden, Kollegen und sieht in ihnen keine Kooperationspartner.

  • Er sucht die Gründe für seine (unbefriedigende) ökonomische Situation primär außerhalb des Unternehmens und nicht bei sich selbst.

  • Und er entwickelt – z.B. in Sri Lanka und Mosambik vergleichsweise stark – ein ausgeprägtes Anspruchsdenken auf externe Förderung statt sich auf sein Selbsthilfepotential und eigene Initiative zu konzentrieren.

Diese Charakteristika – es gibt noch weitere – haben zur Folge, dass die Unternehmer zwar einen objektiv bestehenden „Bedarf“ an Dienstleistungen zwecks Verbesserung ihrer Betriebe haben, die subjektiv wahrgenommene Situation und ihre defensive Haltung jedoch nicht automatisch zu einer „Nachfrage“ nach Dienstleistungen führt. Mithin sind sie ausschließlich mittels einer Verbesserung eines Dienstleistungsangebotes kaum erreichbar und eine rein angebotsorientierte Förderung – z. B. Verbesserung des Angebots an Business Development Services – bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit suboptimal.

Im Rahmen des Nukleus Ansatzes geht es daher darum, einen organisatorischen Raum zu schaffen, in dem die Unternehmer anfangen, sich zu öffnen, ihre Probleme fundierter zu identifizieren, sich zu vergleichen (Benchmarking), zu lernen, eine Nachfrage nach Dienstleistungen selbstbestimmt zu definieren und zu beginnen, Selbstbewusstsein zu entwickeln sowie ihre Betriebe zu verbessern.

Die Erfahrungen mit dem Nukleus Ansatz in Lateinamerika und Asien zeigen, dass dies gelingen kann.

Das Kernproblem bei der KMU-Förderung
ist nicht das Angebot an Dienstleistungen für die KMU –
das Kernproblem ist vielmehr die Nachfrage der KMU nach Dienstleistungen.
Vinícius Lummertz, KMU-Förderinstitution SEBRAE, Brasilien