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Herausgeber
Der Nukleus Ansatz
Einführung
Nuklei in der Welt
Eigentumsrechte am Nukleus Ansatz
Nukleus
   
   
   
Kammern und Verbännde
   
   

3.   Nukleus : Definition und Funktionsweise

Ein Nukleus ist ein Arbeitskreis von Unternehmern (z. B. Schreiner, Hotels, Exporteure, Un­ternehmerinnen) innerhalb eines Verbandes, der von einem angestellten Verbandsbetriebsberater moderiert, organisiert und betreut wird [1].

Die optimale Größe eines Nukleus beträgt zwischen 12 und 30 Unternehmern. Dabei ist wichtig, dass die Gruppen einerseits ausreichend homogen – der tägliche Arbeits- und Erlebensbereich muss ähnlich sein – und andererseits ausreichend heterogen sind – die Unternehmer müssen unterschiedliche Ideen, Probleme und Lösungen auszutauschen kön­nen.

Unter der Leitung des angestellten Betriebsberaters der Kammer beginnen die Unternehmer

  • ihre subjektiv wahrgenommenen Probleme zu identifizieren,

  • die Ursachen der Probleme zu bestimmen,

  • Lösungen innerhalb der Gruppe zu suchen (Stichwort: Unternehmer beraten Unternehmer), und

  • gemeinsame Aktivitäten zu starten, um zu weitergehenden Ideen und Lösungen zu gelangen. Dies können auch Lobbyaktivitäten sein, die zu einer Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen führen.

Daraus entsteht eine strukturierte und qualifizierte Nachfrage der KMU nach Dienstleistun­gen von unten nach oben, was wiederum die Angebote der Dienstleister beeinflusst.

Als Instrumente haben sich bewährt:

  • Motivation und Unterstützung der KMU, gegenseitiges Misstrauen abzubauen und sich ihrer Gemeinsamkeiten sowie des gemeinsamen Potentials bewusst zu werden z. B. durch gemeinsame Besuche / Fahrten;

  • Partizipative Lern-, Gruppenarbeits-, Planungs- und Organisationsmethoden; „Action Learning“ bei dem Praktiker von Praktikern lernen; Benchmarking an Kollegenfirmen;

  • Unternehmensberatung partiell in Betrieben statt in Lehrräumen;

  • Fort- und Weiterbildung, Praktika der Unternehmer sowie ihrer Mitarbeiter;

  • Gemeinsame Veranstaltungen, Einkäufe, Marketingmaßnahmen, Ausstellungen, Messen, Bewerbung um Aufträge, etc.;

  • Initiierung von horizontalen und vertikalen Wertschöpfungsketten (WSK) durch Verknüpfung diverser Nuklei [2].


[1]    Verglichen mit den Organisationsstrukturen im deutschen Handwerk kann man einen Nukleus als rechtlich unselbstständige Innung innerhalb einer Kammer ansehen.

[2]    Die in Kapitel 8 erwähnte Bibliographie enthält Kataloge über von Nuklei realisierte Aktivitäten.

4.    Organisationsentwicklung (OE) der Unternehmensverbände

Unternehmer gründen Kammern und Verbände überwiegend aufgrund von wahrgenommenen Problemen im unternehmerischen Umfeld, die mittels Lobbyaktivitäten verbessert werden sollen. Dass Kammern mit der Erbringung von Dienstleistungen eine zweite originäre Aufgabe haben, ist in sich entwickelnden Ländern häufig unbekannt. An diesen sind KMU primär interessiert – sie erwarten und brauchen eine unmittelbare Gegenleistung für ihren Mitgliedsbeitrag. Fehlt ein entsprechendes Angebot, ist die Kammer für sie uninteressant.

Effiziente Kammern und Verbände als Elemente der Mesoebene können eine wesentliche Funktion in der Entwicklung von lokalen, regionalen und nationalen Ökonomien einnehmen. Ihre Förderung durch Projekte der technischen Zusammenarbeit konzentriert sich häufig auf ihre Ausstattung, die Subvention von gewissen laufenden Kosten, insbesondere der Gehälter hauptamtlicher Mitarbeiter, sowie die Fort- und Weiterbildung der Ehren- und Hauptamtlichen. Dahinter steckt die Annahme: Wer mehr weiß, agiert auch besser. Unter anderem aufgrund der institutionalisierten Wechsel der Führung der Verbände wirken derartige Ansätze häufig nur begrenzt nachhaltig.

Die These des Nukleus Ansatzes lautet, dass OE-Veränderungen in Kammern nur dann nachhaltig wirken, wenn die Mitglieder qualitative und quantitative Leistungen von den Haupt- und Ehrenamtlichen einfordern bzw. sie die Kammer als ihre eigene Organisation an­sehen (Ownership) und sich an deren Gestaltung aktiv beteiligen.

Der Nukleus Ansatz zielt daher auf die Beziehungen zwischen Vorstand, Mitarbeiter und Mitgliedern ab: Ein Mitglied alleine hat normalerweise keinen gestalterischen Einfluss auf den Verband; im Nukleus organisierte Mitglieder haben dies direkt und indirekt sehr wohl. Damit entsteht ein konstruktives Spannungsgefüge innerhalb der Organisation: Wenn die in Nuklei organisierten KMU einmal ein gewisses Leistungsniveau der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter erfahren haben, bestehen gewisse Chancen, dass sie bei einem Personalwechsel auf die Erhaltung dieses Niveaus insistieren. D.h., ein wesentlicher Stimulus für Verbandsaktivitäten und zur Organisationsentwicklung erfolgt durch organisationsinterne Kräfte – und nicht durch externe Geber, wie die folgende Prozessdarstellung belegt:

  • Die Gründung von Mitglieder-Nuklei ist oftmals die erste konkrete Dienstleistung eines Verbandes für seine Mitglieder. Mit ihnen wird der Verband attraktiv für KMU und folglich kann er neue Mitglieder gewinnen.

  • Die Nuklei mit den Betriebsberatern erfordern einen neuen Mitarbeitertypus für die Kammer. Dies hat veränderte Führungsanforderungen für die Geschäftsführung zur Folge.

  • Die Nuklei bedeuten neue Anforderungen an Vorstand und Geschäftsführung sowohl im Lobby- wie im Dienstleistungsbereich.

  • Neue Aktivitäten haben eine Veränderung der Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes zur Folge.

  • Eine größere Mitgliederzahl erfordert organisatorische Änderungen.

Sukzessive entsteht aus vielen kleinen Eigendynamik gewinnenden Änderungen allmählich ein Organisationsentwicklungsprozess, der nicht zu einer simplen Reparatur des vorherrschenden Verbandsparadigmas führt, sondern zur Wandlung in Richtung eines neuen Paradigmas: Der Verband agiert nicht mehr als „Unternehmerklub“, sondern als unternehmerisch gemanagte effiziente Lobby- und Dienstleistungsinstitution.

Dieser Wandlungsprozess muss langfristig angelegt sein, um nachhaltig wirken zu können. Oftmals erfordert er eine gänzlich neue Generation an Akteuren auf der haupt- und ehrenamtlichen Ebene.

BDS versus Nukleus Ansatz?

Im Kontext der Anwendung des BDS-Ansatzes wird gelegentlich die Meinung vertreten, dass Kammern keine Dienstleistungen erbringen sollten, da kom­merzielle Dienstleister diese effizienter und wirkungsvoller erbringen. Dem stehen folgende Argumente entgegen:

- Generell wendet sich ein KMU bei betrieblichen Problemen nicht direkt an kommerzielle Unternehmungsberatungen. Das Erfolgsrisiko ist – gemessen an den Kosten im Verhältnis zum Umsatz und Ertrag – zu hoch. Den Unternehmen fällt es zudem schwer, die richtigen Spezialisten zu identifizieren, da diese dazu neigen, nicht das zu machen, was der KMU benötigt, sondern das, was sie beherrschen – und das kann etwas völliges anderes sein.

- Bei der Betriebsberatung von Kammern geht es einerseits um viele kleine Fragen, zum anderen um die Begleitung eines Suchprozesses zur Identifizierung von betrieblichen Problemen, Ursachen und Wirkungen. Gelegentlich handelt es sich um ein ungezieltes und unstrukturiertes Stochern im „Nebel” (im englischen gibt es dafür den Begriff „Counselling“). Ein guter Betriebsberater ist dabei ein vertrauens- und glaubwürdiger „Sparringspartner“, der bestätigt, zweifelt, neue Ideen stimuliert und bei dem der Unternehmer auch mal sein Herz ausschüttet. Bei größeren Problemen kann die Beratung als Folgeschritt zur Einschaltung von kommerziellen BDS-Anbietern führen.

- Kammern und kommerzielle BDS-Anbieter konkur­rieren mithin nicht, sondern ergänzen sich: Zum einen bieten Kammern insbesondere solche Dienste an, die der Markt den Mitgliedern aus ökonomischen Gründen quantitativ und qualitativ nicht adäquat anbietet (z.B. Counselling). Zum anderen gilt für Kammern die Grundregel, nicht mit den eigenen Mitgliedern – einschließlich der BDS-Anbieter – zu konkurrieren.

- „Was nichts kostet, taugt auch nichts!” Kammern leisten Beratung jedoch nicht zum Nulltarif. Vielmehr werden die Kosten mit dem Mitgliedsbeitrag abgedeckt. Daher bestehen keine Barrieren für den KMU, sie in Anspruch zu nehmen.